Zum Inhalt springen

ADB:Leopold I. (Fürst von Anhalt-Dessau)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Leopold, Fürst von Anhalt-Dessau“ von Ferdinand Siebigk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 336–352, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leopold_I._(F%C3%BCrst_von_Anhalt-Dessau)&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Leopold II. (Kaiser)
Band 18 (1883), S. 336–352 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Leopold I. (Anhalt-Dessau) in der Wikipedia
Leopold I. in Wikidata
GND-Nummer 118649361
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|18|336|352|Leopold, Fürst von Anhalt-Dessau|Ferdinand Siebigk|ADB:Leopold I. (Fürst von Anhalt-Dessau)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118649361}}    

Leopold, Fürst von Anhalt-Dessau, „der alte Dessauer“, nach dem frühen Tode eines älteren Bruders der einzige Sohn des Fürsten Johann Georg II. und seiner Gemahlin, der Fürstin Henriette Katharine, einer Prinzessin von Oranien, ward am 3. Juli 1676 in Dessau geboren, zur großen Freude des Dessauer Landes, welches dadurch der drohenden Gefahr, seine Selbständigkeit zu verlieren, entging. Deshalb trägt eine der beiden auf seine Geburt geprägten Medaillen die Inschrift: Tandem. Von seiner frühesten Jugend an war daher der junge Prinz ein Gegenstand der zärtlichsten Sorgfalt [337] seiner Eltern, ihn vor Gefahr zu schützen, seinen Körper aber auch möglichst zu kräftigen, war ihr aufrichtiges Bestreben. War dies nun zwar von gutem Einfluß auf die körperliche Ausbildung des Prinzen, so blieben doch auch auf der andern Seite üble Folgen nicht aus. Da nach des Vaters Willen der Prinz in keiner Weise Zwang leiden, seinen Wünschen, Neigungen und Launen überall nachgegeben werden sollte, so entwickelte sich gleichmäßig mit der Stärke des Körpers eine immer größer werdende Kraft und Heftigkeit des Willens. Sein ungestümer Sinn duldete keine Schranken, sein gebieterischer Trotz keinen Widerspruch, despotisch schaltete er in seiner Umgebung und ungestraft folgte er jeder leidenschaftlichen Wallung. Seine ganze Neigung ging auf das Kriegswesen; den Uebungen der Soldaten beizuwohnen, die Waffen selbst zu führen, wilde Wagnisse zu bestehen, war seine einzige Lust und liebste Beschäftigung. Dem übrigen Lernen abhold, zeigte er nur Trieb zu den militärischen Wissenschaften und erwarb sich nicht unbedeutende Kenntnisse in der Mathematik, Fortification und der Kriegsgeschichte, auch lernte er schon in frühester Kindheit die französische Sprache. Dagegen zeigte er die größte Ausdauer in jeder körperlichen Uebung und Abhärtung. Schon vom neunten Jahre an begleitete er seinen Vater auf die Jagd, die ihm für sein ganzes Leben ein Gegenstand der Leidenschaft blieb und kannte er bei den größten Beschwerden derselben keine Ermüdung. Ebenso folgte er seinem Vater häufig nach Berlin, wo das dortige kriegerische Thun und Treiben ihn immer mehr zu dem Waffengewerbe hinzog. Sein entschiedener Hang und seine kraftvollen Anlagen zum Kriegswesen wurden bald bekannt und erweckten große Hoffnungen auf ihn für die Zukunft. Dadurch bewogen verlieh Kaiser Leopold dem zwölfjährigen Prinzen auf den Wunsch seines Vaters, bereits 1688 eines der alten kaiserlichen Infanterie-Regimenter, das derselbe längere Zeit besaß und 1693 ernannte Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg den Prinzen, der durch stete Leibes- und Waffenübungen und durch ernsthaftes Eingehen in die militärischen Verhältnisse sich immer mehr für seine Lieblingsbeschäftigung ausbildete, zum Oberst und Chef des seinem in diesem Jahre verstorbenen Vater zuständig gewesenen Rgimentes zu Fuß. Die zu große Jugend des jungen Fürsten hinderte diesen aber sowohl die Regierung des ihm (August 1693) zugefallenen Fürstenthums selbst schon zu übernehmen, als auch bereits jetzt an dem Kriege gegen Frankreich persönlich sich zu betheiligen. Seine treffliche Mutter, welche nach letztwilliger Verfügung ihres verstorbenen Gemahls Vormundschaft und Landesregierung über und für ihren Sohn führte, ließ diesen dagegen, auf seinen eigenen Wunsch und bewogen durch andere Verhältnisse, im November des Jahres 1693 unter der Führung des Barons de Chalésac eine Reise nach Italien antreten, wobei er in Turin die Bekanntschaft des Prinzen Eugen von Savoyen machte und von der er, nach geschehener Vorstellung am kaiserlichen Hofe zu Wien, im Februar 1695 nach Dessau zurückkehrte. Nunmehr aber konnte nichts den jungen Fürsten mehr abhalten an dem noch herrschenden Kriege theil zu nehmen und sich zu seinem Brandenburgischen Regimente nach den Niederlanden zu begeben. Er war mit Leib und Seele Soldat, sagt er doch in seiner Selbstbiographie: „Es kann es wohl kein Mensch bezweifeln, als der von Jugend auf so viel Lust zu dienen in sein wallendes Herze hat, wie ich beständig in das meinige befand, daß ich mir so vergnügt sahe, als ich es mir tausend und tausendmal gewünscht hatte das Glück zu erleben, was ich anjetzo völlig besaß“. Er wohnte nun mit größtem Eifer der Belagerung von Namur und allen sonstigen Kriegsbegebenheiten bis zum Abschlusse des Ryswicker Friedens 1697, zur vollständigen Zufriedenheit des Kurfürsten Friedrich [338] bei und kehrte mit dem Range eines Generalmajors in die Heimath zurück. Obwohl die Fürstin Henriette Katharine beim Kaiser die Großjährigkeitserklärung ihres Sohnes bereits im Jahre 1695 ausgewirkt hatte, nahm derselbe dies doch nicht an, sondern ließ die Regierung in den Händen seiner Mutter und trat dieselbe erst mit Anfang des Jahres 1698 an, worauf er am 13. Mai die Erbhuldigung der Vasallen, Beamten und Unterthanen in Dessau entgegen nahm. Im September des Jahres 1698 vermählte sich L. mit Jungfrau Anna Luise Föse, der Tochter eines Apothekers zu Dessau, deren treffliche Eigenschaften ihn schon längst gefesselt hatten und ist diese Verbindung, welche, zwar erst nach vielem Widerstreben, die Billigung der fürstlichen Mutter und sämmtlicher Agnaten, sowie schließlich auch des Kaisers fand, der die junge fürstliche Gemahlin unterm 29. December 1701 mit ihren Nachkommen in den Reichsfürstenstand erhob, für Fürst Leopold und sein Land eine sehr segensreiche zu nennen. Die Fürstin Anna Luise verstand es meisterhaft, auf die oft recht rauhe Gemüthsart ihres Gemahls besänftigend einzuwirken, hatte inniges Verständniß für die Verhältnisse des dessauischen Landes und seiner Bewohner, befleißigte sich, wenn sie bei der oft langwierigen Abwesenheit des Fürsten nach seinem Willen die Regentschaft führte, einer weisen Sparsamkeit, war eine treffliche Mutter ihrer Kinder und erwarb sich, selbst aus dem Volke hervorgegangen, in hohem Grade die Zuneigung und Liebe desselben, so daß ihr Andenken noch jetzt in Segen steht. In der kurzen Friedenszeit bis zum Ausbruche des spanischen Erbfolgekrieges war Fürst L. unermüdlich für Ausbildung seines jetzt in Halberstadt garnisonirenden Regimentes thätig. Bei demselben suchte er durch zahlreiche Anordnungen den Dienst, die Handgriffe, die Zucht zu vervollkommnen, und fällt in diese Zeit die Einführung des Gleichtritts und der eisernen Ladestöcke. Im J. 1700 ward L. das Gouvernement der Festung Magdeburg übertragen, eine Stelle, die er mit unermüdlicher Thätigkeit und Sorgfalt für Festung und Stadt bis zu seinem Tode bekleidete. Nachdem Kurfürst Friedrich III. sich am 18. Januar 1701 zu Königsberg die Königskrone von Preußen aufgesetzt hatte, begab sich L. im März nach Potsdam, um den heimkehrenden König Friedrich I. zu begrüßen, und da der Krieg um König Karl II. von Spanien Verlassenschaft unvermeidlich erschien, ging er am 1. Mai 1701 mit 12 Bat. nach Wesel zu einem Corps, welches sich unter General v. Heyden im Clevischen sammelte. Da es jedoch dort noch ruhig blieb, so benutzte der Fürst dies, sich dem Könige Wilhelm von Großbritannien in Haag vorzustellen, kehrte darauf nach der Heimath zurück und sorgte in Halberstadt möglichst für Completirung seines Regiments. Beim Ausbruch des Krieges im nächsten Jahre finden wir L. im Anfange des April wieder in Wesel; er nahm dann lebhaften Antheil an der Belagerung von Kaiserswerth, den darauffolgenden Hin- und Hermärschen und schließlich an den Belagerungen von Venloo und Ruremonde, worauf die preußischen Truppen Winterquartiere im Clevischen bezogen und er sich nach Dessau begab. Mit dem Beginn des J. 1703 nahm L. theil an dem in Berlin gefeierten ersten Ordensfeste des 1701 bei Krönung des Königs Friedrich I. in Königsberg gestifteten Ordens vom schwarzen Adler und erhielt zur Belohnung seiner Dienste die Insignien desselben; er war der Erste, dem seit der Stiftung des Ordens diese Ehre zu theil wurde. Darauf begab er sich nach dem Kriegsschauplatze, langte am 21. April vor dem belagerten Geldern an und wohnte dann als Zuschauer der Belagerung der Festung Bonn bei. Im Juli erhielt er, zum Generallieutenant ernannt, den Befehl, mit 6000 Mann preußischer Truppen zur Armee des Prinzen Louis von Baden nach der Donau zu gehen, wo er nach einem vierwöchentlichem Marsche ankam, und als nach längerer Unthätigkeit der Prinz von Baden sich nach Augsburg wandte, mit dem unter Feldmarschall [339] Graf Styrum zurückbleibenden kaiserlichen Corps eine Stellung bei Donauwerth zur Beobachtung des zwischen Lauingen und Dillingen verschanzten baierisch-französischen Heeres bezog. Als Graf Styrum vom Prinzen von Baden den Befehl erhalten, die Donau zwischen Höchstedt und Donauwerth zu überschreiten um den Feind auf dieser Seite abzulenken, eilte das davon benachrichtigte feindliche Heer schleunigst herbei, überschritt die Donau bei Donauwerth und Feldmarschall Styrum ward von demselben unter dem Kurfürsten von Bayern und dem Marschall Villars am 20. September bei Höchstedt mit Uebermacht angegriffen und geworfen und entging nur durch die durch nichts zu erschütternde Kaltblütigkeit Leopolds und die eiserne Standhaftigkeit der Preußen auf dem Rückzuge der vollständigen Vernichtung. Im Besitze der regsten Anerkennung seiner Leistungen ging der Fürst, nachdem die kaiserliche Armee die Winterquartiere bezogen, im Januar 1704 nach Dessau zurück, begab sich aber bereits im April wieder zu seinem verstärkten Corps und vereinigte sich im Mai am Neckar mit dem Prinzen von Baden. Er nahm bei dessen Heere theil an den Bewegungen und Actionen der nächsten Zeit, ward unterm 20. Juni zum General der Infanterie ernannt, und als es nach der Vereinigung des verbündeten Heeres unter Prinz Eugen von Savoyen und dem Herzoge von Marlborough mit der baierisch-französischen Heeresmasse unter dem Kurfürsten Max Emanuel und dem Marschall Tallard am 13. August bei Höchstedt zur Schlacht kam, erntete darin L., dessen persönlicher Muth sich hier auf das Glänzendste zeigte, mit seinen Preußen unsterblichen allseitig anerkannten Ruhm ein. Prinz Eugen selbst schrieb König Friedrich I., seine Truppen und ihr Anführer hätten das Meiste zum Siege beigetragen. Nachdem der Feldzug durch die Einnahme der Festung Landau, welche durch die besonnenen Dispositionen des Fürsten und die Tapferkeit seiner Truppen wesentlich beschleunigt worden, sein Ende erreicht und die letzteren die Winterquartiere in der Oberpfalz bezogen hatten, ging Fürst L. im Januar 1705 nach Dessau zurück. Seine Tüchtigkeit, sein Feldherrntalent und sein Muth hatten sich in diesem Feldzuge auf das glänzendste bewährt, aber ebenso wuchs auch die Zahl seiner Neider und Widersacher, die von ihm sagten, seine Kampfbegier sei unersättlich. Schon am Anfange des April 1705 ging L., dem der Oberbefehl über ein dem Herzoge von Savoyen zugesagtes preußisches Hülfscorps von 8000 Mann übertragen worden, nach Italien ab, vereinigte sich mit der kaiserlichen Armee bei Verona und wurde am 7. Mai mit seinen Truppen vom Prinzen Eugen gemustert. Von seiner Thätigkeit bei den nun folgenden Kriegsactionen ist neben dem Gefechte beim Uebergange über den Oglio, besonders seine Kühnheit, Tapferkeit und Todesverachtung zu erwähnen, die er an der Spitze seiner Truppen am 16. August in der Schlacht bei Cassano bewies und wofür ihm der wärmste Dank in einem Handschreiben des Kaisers Joseph I. zu theil wurde, daneben aber auch ein Verweis seines Kriegsherrn, daß er zu schonungslos mit dem Leben seiner Truppen umgehe, denn deren Verluste waren sehr beträchtlich. Nicht unerwähnt darf hier bleiben, daß der zur Weltberühmtheit gelangte Dessauer Marsch in dieser Zeit entstanden ist, denn mit seinen Klängen, die sich sofort die Neigung des Fürsten erwarben, begrüßten diesen die Einwohner von Cassano bei seinem Einzuge in ihre Stadt. Ein hitziges Fieber, welches L. gleich nach dem Treffen bei Cassano befiel und ihn zwang, sich nach Brescia bringen zu lassen, wo er von seiner herbeigeeilten Gemahlin auf das Aufopferndste gepflegt wurde, hielt ihn nur bis Mitte September von seinen Leuten fern. Bis zum Schluß des Feldzuges fiel nichts von Bedeutung vor und der Fürst, der aufs Wärmste für seine Leute gesorgt, begab sich am Schluß des Jahres nach Dessau zurück. Hier blieb Fürst L., der es in Berlin nur mit Mühe erlangt hatte, daß die Truppen in Italien [340] ergänzt und noch länger dort gelassen wurden, bis Mai 1706, hatte aber den Schmerz zu erfahren, daß dieselben inzwischen am 19. April einen unglücklichen Kampf mit den Franzosen bei Calcinato gehabt. Am 20. Mai ging L. nach Italien ab und erreichte am 5. Juni das kaiserliche Heer bei Verona, wo dasselbe zunächst noch verblieb. Am 16. Juni ward der Marsch nach Reggio angetreten, welches am 14. August sich ergab und dann eilte Prinz Eugen zum Entsatze des von den Franzosen hart belagerten Turin. Am 7. September kam es zur Schlacht, die mit der gänzlichen Niederlage der Franzosen endete. L., der, nachdem sein Pferd erschossen worden, zu Fuße kämpfte, befehligte den linken Flügel der Infanterie und seinem stürmischen Angriff gelang es zuerst mit seinen Grenadieren festen Fuß zu fassen, die ihm gegenüber stehenden Feinde von Stellung zu Stellung zu werfen und den Sieg an die kaiserlichen Fahnen zu fesseln. Characteristisch ist sein an König Friedrich I. noch am 7. aus dem Lager bei Turin erstatteter Schlachtbericht. Dieser Schlacht folgte noch die Einnahme von Novara, Mailand, des Passes Ghiera und von Pizzighettone, an denen L. mit seinen Preußen meist theilnahm, dann ging es in die Winterquartiere und er begab sich wie gewöhnlich nach Dessau, wo er am 15. Nov. eintraf. Von hier aus ging der Fürst, um das Nöthige behufs Rekrutirung und Herstellung des preußischen Corps in Italien zu verhandeln, im Dezember zu dem Könige nach Berlin, blieb aber wegen der drohenden Nähe des schwedischen Heeres und wegen mancher Mißhelligkeiten und Hindernisse, die ihm am preußischen Hofe erwuchsen und deren Beseitigung erst durch einen im Frühjahr gemachten abermaligen Besuch beim Könige in Potsdam gelang, bis zum 18. Juni 1707 im Vaterlande und begab sich erst dann nach Italien zum kaiserlichen Heere, das er zu Nizza erreichte, im Begriff die französische Grenze zu überschreiten. Es führte auch diesen Plan am 14. Juli aus, erreichte nach vielen Mühseligkeiten zwar die Festung Toulon und begann die Anstalten zur Belagerung, wobei L. mit seinen Preußen kräftigst mitwirkte, mußte dann aber nach einem ziemlich nutzlosen Bombardement sich auf den Rückweg begeben und traf, alles hinter sich verwüstend, am 31. August durch Ueberschreitung des Grenzflusses Bar wieder in Savoyen ein. Hier gelang es L., durch die nach heftigen Gefechten in den letzten Tagen des September erreichte Einnahme der Stadt und Festung Susa nicht nur selbst seinen Ruhm wesentlich zu erhöhen, sondern auch die Scharte, welche durch den nutzlosen Marsch nach Frankreich den Verbündeten geschlagen worden, wieder auszuwetzen. Mit dieser Expedition fand der Feldzug des Jahres 1707 sein Ende, L. regulirte das Nöthige wegen der Winterquartiere seines Corps und traf dann am 17. Nov. wieder in Dessau ein, verließ dasselbe aber bereits zu Anfang Dezember aufs Neue und ging nach Berlin, wo er die beste Aufnahme und die wärmste Anerkennung seiner Verdienste fand. Dennoch stand aber bei ihm der Entschluß fest, dem Feldzuge des Jahres 1708 in Italien nicht wieder beizuwohnen und von der Führung des dortigen preußischen Corps zurückzutreten. Hauptsächlich bewogen ihn zu diesem Entschlusse die noch nicht erfolgte Befreiung seiner Erblande von der Schwedengefahr, dann Widerwille gegen die Ränke und Kniffe bei der Kriegführung in Italien, wo der Herzog von Savoyen, dem er nicht mehr trauen zu sollen glaubte, den Oberbefehl übernommen und endlich der Weggang des Prinzen Eugen, dem die Armeeführung in den Niederlanden übertragen worden und zwischen dem und L. sich ein sehr freundschaftliches Verhältniß gebildet hatte. König Friedrich gewährte, wie wohl ungern, des Fürsten Wünsche. So blieb denn dieser, da Anciennetätsverhältnisse es verhinderten, daß ihm die Führung der preußischen Truppen in den Niederlanden übertragen wurde, im Jahre 1708 in der Heimath und widmete sich mit Eifer seinen landesherrlichen Pflichten. [341] Am 30. April hatte er mit dem aus dem Haag zurückkehrenden Prinzen Eugen eine Zusammenkunft bei Aschersleben, worauf sich beide gemeinschaftlich nach Leipzig zu einem Besuche beim Könige August von Polen begaben. Kurz darauf zeigte ein mehrtägiger Besuch des Königs Friedrich mit großem Gefolge zu Oranienbaum, daß Leopold’s Rücktritt bei ihm keinen Groll hinterlassen. Der Entschluß des Kronprinzen von Preußen, im Jahre 1709 dem Feldzuge in Brabant als Freiwilliger beizuwohnen, erweckte in dem mit ihm in einem sehr freundschaftlichen Verhältniß stehenden L., da für ihn die active Betheiligung immer noch nicht möglich war, die Lust in gleicher Eigenschaft auf dem Kriegsschauplatze zu erscheinen und ward das hierzu Erforderliche sofort mit dem Prinzen Eugen in Wien in Ordnung gebracht. Nach einer, durch die getäuschte Hoffnung des Zustandekommens eines Präliminarfriedens, hervorgerufenen Verzögerung, traf L. um Mitte Juli im Lager vor Tournay ein und war fortan fast täglich in unmittelbarstem Verkehr mit dem Prinzen Eugen, dem Herzoge von Marlborough und dem Kronprinzen von Preußen. Nach Einnahme der Stadt Tournay ward der Angriff auf die Citadelle einem Belagerungscorps überlassen und die verbündete Armee ging über Orchies zum Angriffe des französischen Heeres vor, das sich in ein festes Lager bei Malplaquet zurückzog. Hier ward es am 11. August angegriffen und erlitt nach heftigem blutigem Kampfe eine totale Niederlage. L., der am Schlachttage die preußischen Truppen führen sollte, mußte noch im letzten Augenblicke aus Anciennetätsrücksichten sich entschließen in seiner Volontairstellung und an der Seite des Prinzen Eugen zu verbleiben. Nachdem am 24. September die Laufgräben vor Mons eröffnet worden, kehrte L. nach der Heimath zurück, der Feldzug endete mit der am 20. October erfolgten Uebergabe der Festung Mons. Im November begab sich L. nach Berlin, kehrte aber schnell wieder zurück und hatte die Freude, bald die Anstalten zur Beiwohnung des nächstjährigen Feldzuges und zwar in thätiger Stellung treffen zu können, denn es war ihm von König Friedrich bei einem Besuche in Dessau zu Anfang des Jahres 1710 die Eröffnung geworden, daß ihm die Führung des preußischen Corps in den Niederlanden übertragen werden würde. Nach mehrfachem Aufenthalt in Berlin, wo der Fürst im März mit dem Prinzen Eugen zusammentraf, dessen Bemühungen er hauptsächlich den erhaltenen Oberbefehl verdankte, begab er sich nach dem Kriegsschauplatze und langte dort am 20. April, kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten bei seinen Truppen an. Bereits am 4. Mai wurden unter Befehl des Fürsten und des holländischen Generals, Prinzen von Nassau, die Laufgräben vor Douay eröffnet. Hier widerfuhr es ihm, daß, als er am 24. Mai die Arbeiten an letzteren besichtigte, er durch einen Musketenschuß im Gesicht unterm linken Auge verwundet wurde, was ihn jedoch nicht hinderte, seinen Dienstobliegenheiten ununterbrochen nachzukommen. Einen vom Marschall Villars geplanten Entsatz der Festung verhinderten die vorzüglichen Gegenanstalten des Fürsten und der am 24. Juni von ihm angeordnete Generalsturm veranlaßte den feindlichen Commandanten, Grafen Albergotti, am nächsten Morgen zu capituliren. Die verbündete Armee bezog hierauf ein festes Lager zur Deckung der Belagerung von Bethune. Als zu Anfang Septembers beschlossen worden, in diesem Jahre noch die festen Plätze Aire und St. Benant wegzunehmen, verließen die dazu bestimmten Truppen am 6. das Lager und eröffneten bereits am 12. die Laufgräben vor Aire. Witterungsverhältnisse und der tapfere Widerstand der Besatzung verzögerten die Einnahme des Platzes bis zum 8. November, womit der Feldzug sein Ende erreichte. Die Armee bezog Winterquartiere und der Fürst traf am 21. Dec. in Dessau ein. Der Winter verging dem Fürsten unter theilweise persönlichen Bemühungen, in Berlin auf das Sorgfältigste für die ihm anvertrauten Truppen [342] zu wirken. Daneben ließ er sich aber auch seine Pflichten als Gouverneur von Magdeburg sehr angelegen sein; er führte im Frühjahr den neuernannten Commandanten, Gen.-Maj. v. Stille dort ein und traf die zur besseren Befestigung des Platzes nöthigen Anordnungen, was zur Folge hatte, daß in den nächsten Jahren unter seiner Leitung nicht nur viele Veränderungen in den Festungswerken entstanden, sondern auch die Stadt mit vielen neuen Straßen und Gebäuden geziert ward. Auch die Anlegung der Sudenburger Vorstadt stammt aus dieser Zeit. Sobald das Wetter es erlaubte, eilte L. das ihm wieder übertragene Obercommando der preußischen Truppen zu übernehmen und traf am 23. April über Wesel in Gent ein. Dort erwartete er die Ankunft des Herzogs von Marlborough und begab sich mit diesem am 26. zum Sammelplatze der Armee bei Tournay. Diese ging am 30. auf Orchies und bezog tags darauf ein Lager bei Vardes, wo man bis zum 14. Juni blieb. Das Quartier des Fürsten war in Anchin. Von da begab sie sich, um den Angriff des Feindes zu erwarten, in eine Stellung bei Lewarde und Lens, in welchem letzteren Orte der Fürst den Besuch des Prinzen Eugen empfing, der in diesem Jahre das Commando des kaiserlichen Heeres in den Niederlanden nicht führte, nur im Lager erschien, um mit dem als Oberbefehlshaber fungirenden englischen Feldherrn Manches zu verhandeln und überhaupt meist diplomatisch beschäftigt war. Das Heer verhielt sich in seiner Stellung zunächst ruhig und zog sich sogar, nachdem es dem Marschall Villars gelungen war einige kleine Vortheile zu erlangen, am 20. Juli nach der Gegend von Bethune zurück, um den Feind in der Meinung zu bestärken, man wolle sich in diesem Jahre nur defensiv verhalten. Inzwischen war L. von einem heftigen Fieber befallen worden, das ihn zwang, sich am 5. Juli nach Bethune bringen zu lassen, wo er sich erst am Schlusse des Monats soweit hergestellt fühlte, daß er zur Armee abgehen und an dem Streiche theilnehmen konnte, den der Herzog von Marlborough dem Marschall Villars durch Wegnahme des Postens Oisy und Ersteigung des dortigen feindlichen Retranchements am 5. August beibrachte. Hierauf wendete man sich zur Belagerung von Bouchain, eröffnete dort am 23. August die Laufgräben und nahm, trotzdem der Marschall mehrmals Anstalten zum Entsatz zu treffen schien, auch, um die Verbündeten zu ermüden, einen Versuch zur Ueberrumpelung von Douay machte, die Festung am 12. October ein. Hierauf ging die Armee über die Schelde zurück und stand am 27. in Brüssel, wo der Fürst seine die Winterquartiere beziehenden Truppen verließ und über Dessau nach Berlin eilte, wo er am 9. November eintraf. Nachdem L. während der ersten Monate des J. 1712 am königlichen Hofe zu Berlin verweilt, erschien er am 29. Mai wieder beim Heere in den Niederlanden, das an der Selle stand, fand aber die Verhältnisse hier sehr verändert. An Stelle des nach London zurückberufenen Herzogs von Marlborough befehligte der Herzog von Ormond die Engländer, nahm, da bereits Friedensunterhandlungen zwischen dem englischen und dem französischen Cabinete stattfanden, keinen thätigen Antheil mehr am Kriege und hemmte dadurch die Maßregeln des verbündeten kaiserlichen und holländischen Heeres, an dessen Spitze Prinz Eugen sich befand. Dieser unternahm zwar die Belagerung der Festung Quesnoy, sah sich aber außer Stande, den Bitten des Fürsten L., mit seinen Preußen sich dabei betheiligen zu dürfen, zu entsprechen, weil er befürchtete, den Widerspruch des Herzogs von Ormond zu erregen, da diese Truppen in englischem Solde standen. Als der Herzog aber am 23. Juni verlangte, L. solle sich mit dem preußischen Corps gänzlich von den Kaiserlichen trennen und die Feindseligkeiten gegen die Franzosen einstellen, weigerte sich L., diesem Befehle, ohne von seinem Kriegsherrn dazu ermächtigt zu sein, Folge zu leisten und blieb auch hierbei in einer vom Prinzen Eugen dieserhalb am [343] 25. veranlaßten Versammlung der Generale der verbündeten Armee. Der von L. hiervon in Kenntnis gesetzte König von Preußen billigte dessen Verfahren und befahl ihm, den Krieg bei Prinz Eugen fortzusetzen. Letzterer entschloß sich, nachdem der Herzog von Ormond mit seinem Heere nach Dünkirchen abmarschirt war, zur Belagerung der Festung Landrecies, die L. mit größter Energie leitete, jedoch nicht zum Ziele gelangte, da die Belagerung in Folge des glücklichen Angriffs des Marschalls Villars am 24. Juli auf die Stellung bei Denain aufgehoben ward und der Fürst Befehl erhielt, über die Sambre zurückzugehen. Die verbündete Armee bezog schließlich ein festes Lager bei Maubeuge, wo der Schluß des Feldzuges in Unthätigkeit abgewartet wurde. Ehe aber die preußischen Truppen die diesjährigen Winterquartiere bezogen, führte der Fürst die ihm bereits früher im Geheim zugegangene Ordre, sich der Stadt und Citadelle Moeurs, wegen welcher Preußen mit Holland im Streit lag, zu bemächtigen, am 8. November durch List glücklich aus und begab sich von da direct nach Berlin, wo ihm als Beweis der Zufriedenheit des Königs mit seiner Befehlsführung und auf besondern Wunsch des Kronprinzen die Ernennung zum Feldmarschall und zum wirklichen Geheimen Kriegsrathe zu theil wurde. Während dieses Aufenthalts in Berlin wurde L. auch mit dem dort anwesenden Czar Peter von Rußland persönlich bekannt, der sich sehr von ihm angezogen fühlte und auch bei einem späteren Besuche in Berlin, 1717, dieselbe Zuneigung zu ihm zeigte. Nach dem im Februar 1713 erfolgten Tode des Königs Friedrich I. von Preußen, bestätigte dessen Nachfolger, König Friedrich Wilhelm I., den Fürsten sofort in allen seinen Chargen. Der neue König war schon längst sein großer Gönner und war in mehreren Feldzügen persönlich im Stande gewesen, sich von dessen vortrefflichen militairischen Eigenschaften zu überzeugen. L. erlangte bald bei dem das Soldatenwesen über alles liebenden Könige einen unbegrenzten Einfluß, den er nur mit dem General v. Grumbkow zu theilen hatte. L. war von nun an sehr viel um die Person des Königs; wie dieser denn auch häufig in Dessau verweilte. Auch Kaiser Karl VI. erkannte die Verdienste des Fürsten um Kaiser und Reich in einem sehr verbindlichen Handschreiben vom 5. April 1713, das durch den kaiserl. Gesandten beim niedersächsischen Kreise, Grafen Schönborn überreicht wurde, gebührend an und verlieh kurz darauf ihm und dem von ihm abstammenden erstgeborenen Prinzen das Prädikat: Durchlauchtig, da die kaiserl. Canzleien ihn bis jetzt nur Hochgeboren genannt hatten. Die Ruhe welche durch den im April 1713 zu Utrecht abgeschlossenen Frieden für L. eintrat, war nur von kurzer Dauer, denn Preußen sah sich bereits 1715 wieder in einen Krieg mit Schweden verwickelt, in dem der Fürst den Oberbefehl über eine Armee von 25 000 Preußen, 8000 Sachsen und eine Anzahl dänischer Truppen im Mai übernahm. Er schritt zunächst am 12. Juli zur Belagerung Stralsunds, welcher die Könige von Preußen und Dänemark beiwohnten, dann erfolgte die Wegnahme der Insel Usedom, 30. Juli und der Peenemünder Schanze am 21. August. Am 18. October wurden die Laufgräben vor Stralsund eröffnet, am 4. Nov. das feindliche Retranchement erobert. Als nun so das feste Land vom Feinde gesäubert, plante L. die Eroberung der Insel Rügen, ohne deren Besitz die Belagerung von Stralsund nicht recht zu fördern war. Am 15. November bewerkstelligte er den Uebergang eines Corps von 15 000 Mann, landete bei Stresow und begann sofort sich zu verschanzen, da König Karl XII. von Schweden sich selbst mit einer auserlesenen Schaar auf der Insel befand. Schon in der Nacht zum 16. unternahm dieser einen heftigen Angriff auf die Stellung des Fürsten, ward aber mit großem Verluste zurückgeschlagen, zweimal selbst verwundet und erreichte nur mit Mühe die alte Fährschanze und von da die Festung Stralsund. Erstere [344] ergab sich am 17. mit allen Truppen, Geschützen und Vorräthen. Nachdem nun die Eroberung der Insel vollendet war, wandte sich der Fürst wieder zur Belagerung der Festung, eroberte am 8. December den bedeckten Weg und am 17. ein Hornwerk, das König Karl XII. persönlich vertheidigte, worauf, da letzterer sich am 19. auf einem kleinen Fahrzeuge nach Schweden gerettet, am 22. die Capitulation der Festung erfolgte. So endigte dieser Feldzug, der Leopold’s Kriegsruhm auf den höchsten Gipfel erhob und Preußen den Besitz von Stettin, Vorpommern bis zur Peene, sowie von Wollin und Usedom verschaffte.

„Mit dieser ruhmvollen Eroberung, sagt des Fürsten Biograph, Varnhagen, schließt sich der erste Zeitraum von Leopold’s Kriegsthaten und Feldherrnverrichtungen ab, er selbst war jetzt 40 Jahre alt, auf dem Gipfel des Ruhms, voll Kraft und Begierde, sich neue und immer größere Heldenbahn zu gewinnen; doch eine lange Reihe von Friedensjahren verschloß diese Richtung und drängte seine Thätigkeit und seinen Ehrgeiz in minder günstige Wege zurück. Auch auf diesen zeigte er zwar den eisernen Willen und die entschlossene Kraft, die er im Kriegsfelde bewiesen, aber ohne dabei stets gleichen Erfolges und gleichen Ruhmes theilhaftig zu werden.“ Sein Aufenthalt wechselte nun stets zwischen Dessau, Berlin und Halle, wo sein Regiment in Garnison stand. König Friedrich Wilhelm I. hatte ihn als Freund und Rathgeber in größter Vertraulichkeit thunlichst zur Seite, sie hatten gleiche Neigungen und fast auch gleiche Ansichten und in dem berühmten Tabakscollegium spielte der Fürst, der zwar nie Tabak rauchte, nach dem Könige die bedeutendste Rolle. Am Hofe bildeten sich aber bald zwei einander entgegengesetzte Parteien, bei denen die Königin an der Spitze der dem Fürsten feindlichen stand. Man verstand bei Gelegenheit einer Krankheit des Königs und bei der Untersuchung gegen einen Abenteurer Clement, welcher ausgesagt hatte, es bestehe ein Anschlag der Höfe von Wien und Dresden, den König bei einer Jagd oder auf einer Reise aufzuheben, ihn dann in sicherm Gewahrsam zu behalten, den Kronprinzen im katholischen Glauben erziehen zu lassen und dann unter Vormundschaft des Kaisers auf den Thron zu setzen, dem Könige einen großen Verdacht gegen L. und den General Grumbkow einzuflößen. Beide gingen zwar gerechtfertigt aus dem schweren Kampfe, der ihnen erwuchs, hervor und blieben im Besitze des alten Ansehns und Einflusses, sie hüteten sich aber wohl, den nur allmählich beruhigten Sinn des Königs durch neue Unternehmungen wieder aufzuregen. L. fand ohnehin in dem Kriegswesen einen festern Halt und eine würdigere Beschäftigung, als in den Intriguen des Hoflebens. Er war unermüdet in den kriegerischen Uebungen und brachte es dadurch und durch die unerbittliche Strenge, die er in allen militairischen Dingen einführte, zu einer bis dahin noch nicht gekannten Regelmäßigkeit bei den ihm unterstellten Truppentheilen, namentlich bei seinem Regimente in Halle, freilich verschwand hierbei der Unterschied zwischen Großem und Kleinem, Wesentlichem und Unwichtigem. Rücksichtslose Härte und Grobheit gegen hohe und niedere Befehlshaber war an der Tagesordnung und dem kleinsten Vergehen der Soldaten folgte unnachsichtlich die fürchterlichste Strafe. Der überall anerkannten Neuerungen des Fürsten, als Einführung der eisernen Ladestöcke und des Gleichtritts ist schon gedacht, dazu kam die des auswärts gebogenen Bajonnets und des schnellern und regelmäßigern Feuerns, doch beschränkten sich alle diese Verbesserungen nur auf die Infanterie, da L. seit den Tagen von Höchstedt und Malplaquet, wo er die Cavallerie schwach gesehen hatte und nur die feste Haltung der Infanterie den Erfolg des Tages sicherte, gegen erstere eine gewisse Abneigung hatte. Bei dem Gleiches bezüglich des Heeres erstrebenden Könige fanden alle Schritte Leopold’s nach dieser Richtung entschieden Billigung [345] und Förderung und so kann letzterer mit Recht als der Begründer des altpreußischen Militairsystems gelten, das sich ohne große Abänderungen bis 1806 erhalten hat. Des Fürsten Regiment stand seit 1718 in Halle, wo er selbst sich oft aufhielt und dasselbe mit unaufhörlichen Uebungen beschäftigte. Bei seiner Mißachtung gegen alles, was nicht Soldat war, lebten aber er, sowie seine Offiziere und Soldaten mit den Bewohnern der Stadt und besonders mit der Universität in stetem Hader und es kam so weit, daß der König, der unaufhörlichen Beschwerden müde, das Regiment zu des Fürsten großem Aerger, auf kurze Zeit von Halle verlegte. Aber auch dem Festungswesen widmete L. große Sorgfalt, unter seiner Aufsicht baute und vermehrte der durch ihn aus dem holländischen in den preußischen Dienst gezogene Ingenieuroberst, dann General Walrave die Werke von Magdeburg, Wesel, Stettin, Spandau, Küstrin, Memel, Pillau und der Reichsfestung Philippsburg, ja der Fürst verfaßte selbst eine Schrift über den Angriff einer Festung, die er mit großen Plänen versehen an den Kronprinzen Friedrich gelangen ließ. In der ganzen Zeit begleitete L. den König Friedrich Wilhelm I. zu zahlreichen Musterungen und Uebungen der Truppen, sowie zu andern militairischen Veranstaltungen, desgleichen zu bedeutenden Staatsactionen, wie zur Huldigung nach Stettin, sowie zu Jagden und sonstigen Vergnügungen fast ausnahmslos. Bei solchem so häufigen Zusammensein und bei der zwischen ihnen herrschenden Uebereinstimmung der Thätigkeit und Neigungen wurde auch die letzte Spur der früher eingetretenen Mißstimmung zwischen beiden leicht getilgt, doch aber störten zwischen ihm und dem General Grumbkow ausgebrochene Streitigkeiten, die sogar ein Duell nach sich zu ziehen drohten, seine Stellung bei Hofe und seinen Einfluß auf alle Staatsangelegenheiten. Im Jahre 1730 wohnte L. dem großen Lustlager König Augusts von Polen bei Mühlberg, bei und als bald darauf nach der verunglückten Flucht des Kronprinzen Friedrich, durch den harten Sinn seines königlichen Vaters das Leben des erstern bedroht war, legte er für ihn seinen ganzen Einfluß in die Wagschale. Friedrich war seit dieser Zeit ihm innig ergeben und schenkte ihm damals sein Bildniß. Obwol im Jahre 1733 mit zwei andern Bewerbern zum Reichsfeldmarschall ernannt, vermochte er es doch nicht durchzusetzen, im nächsten Jahre bei dem Reichskriege gegen Frankreich eine Befehlshaberstelle im kaiserlichen oder dem Reichsheere zu erhalten. Er wohnte deshalb dem Feldzuge am Rhein, an dem seine 5 Söhne im preußischen Hülfscorps theilnahmen, in Begleitung des Königs und des Kronprinzen von Preußen, nur als Freiwilliger bei und hatte dabei die Freude, seinen alten Kriegsgefährten, den Prinzen Eugen von Savoyen wiederzusehen, der zwar den Oberbefehl führte, aber durch Alter und Krankheit geschwächt, nichts Entscheidendes vornahm. Auch dem Feldzuge von 1735 wohnte L. als Freiwilliger bei und hatte die Freude, seine 5 Söhne glücklich heimkehren zu sehen. Zum Dank dafür baute er die sogenannten Fünfbrüderkirche zu Wadendorf in seinem Erblande. Dem Kronprinzen schloß er sich als sein Lehrer in der Kriegskunst immer mehr an, er unterrichtete ihn nicht nur, wie Varnhagen sagt, durch unmittelbare Anleitung, indem er stets, was irgend vom Kriegswesen Wichtiges vor Augen kam, ihm bemerklich machte, sondern er ließ sich auch angelegen sei, „durch schriftliche Abfassungen dem mündlichen Unterrichte nachzuhelfen.“ Dahin gehört die schon erwähnte Anleitung zum Angriff einer Festung, ein Aufsatz über die Verhältnisse von allerlei Kriegschargen und Anderes. Der Tod des Feldmarschalls Grumbkow befreite den Fürsten im J. 1739 von einem gefährlichen Feinde; er stand nun um so fester in der Gunst des Königs, den er wiederum auf verschiedenen Reisen begleitet hatte. Am Tage vor dem am 31. Mai 1740 erfolgten Tode des Königs nach Potsdam geeilt, wurde er von diesem auf das freundschaftlichste empfangen, [346] erhielt am Todestage selbst ein schönes Pferd aus dessen Marstalle mit der Erklärung, er schenke es ihm als ein aus dem Dienste ausscheidender Oberst seinem ältesten Feldmarschalle, sowie einen prachtvollen Sattel nebst Schabracke und einem Paar kostbaren Pistolen, worauf der König mit zärtlichsten Worten von ihm Abschied nahm. Von dem neuen Könige, Friedrich II., ward L. sofort in allen seinen Aemtern und Würden bestätigt und man hielt, nach dem bisher zwischen ihm und dem jetzigen Herrscher bestandenen Verhältnisse, für gewiß, daß sein Einfluß in militairischen Dingen womöglich noch höher als früher steigen werde. Bald aber hatte der Fürst den Kummer, zu sehen, daß der König bei aller Achtung vor seiner Erfahrung, doch nicht unbedingt seinem Rathe folgte. Friedrich schätzte ihn zwar als einen gewaltigen Feldherrn, der mit den preußischen Truppen überall siegreich gewesen, billigte aber nicht seine grausame Strenge, seine herrische Gewaltsamkeit. Es ward sofort eine sanftere Behandlung der Soldaten eingeführt, das übermäßige Schimpfen und Schlagen verboten und ein günstigeres Verhältniß zwischen Soldaten und Offizieren und zwischen den einzelnen Stufen der letztern angebahnt. Hierdurch schon und durch die Ernennung von Leopold’s Gegner, des General Schwerin zum Feldmarschall, entstand eine fühlbare Entfremdung zwischen dem König und ihm, er zeigte sich seltener bei Hofe und immer mehr trat hervor, daß der König auch in militairischen Dingen eines Lehrmeisters nicht mehr zu bedürfen glaubte. Noch größer war die Spaltung, als der König nach dem Tode Kaisers Karls VI. gegen den Rath des dem österreichischen Hofe innigst ergebenen Fürsten im Dezember 1740 den Angriff auf Schlesien unternahm, auch ihm kein Commando dabei übertrug. Die Erfolge des Königs, der nicht unterließ, seinen alten Feldherrn stets selbst schriftlich davon auf dem Laufenden zu erhalten, besänftigten dessen Groll; hatte es sich doch jetzt schon herausgestellt, was das größtentheils von ihm gebildete Heer zu leisten vermöge, und als im Januar 1741 der König ihn nach Berlin berief, um sich seiner Einsicht und Mitwirkung bei den zu fassenden Entschlüssen zu bedienen, fand er kein Bedenken mehr, seinen kriegerischen Eifer dem Begonnenen zu widmen und übernahm gern den Oberbefehl über ein Beobachtungscorps von 30 000 Mann, das zum Schutze der preußischen Staaten gegen Sachsen und Hannover im Frühjahre zwischen Genthin und Magdeburg aufgestellt ward. Hier blieb der Fürst während des ganzen Sommers, fern vom Kriegsschauplatze, jedoch eifrigst bemüht, die Kriegstüchtigkeit der ihm unterstellten Regimenter durch stete Uebungen zu erhalten und zu mehren. Nachdem durch Aenderungen in den politischen Verhältnissen die Befürchtungen beseitigt waren, welche die Aufstellung des Beobachtungscorps bewirkt hatten, ward letzteres im October aufgelöst und in die Winterquartiere gesendet. Darauf berief der König L. nach Schlesien, wo der Feldzug durch die Belagerung der Festung Neisse, deren Uebergabe am 30. October erfolgte, beschlossen wurde. Der Fürst besichtigte mit dem Könige nach der Uebergabe die Festungswerke, deren Verstärkung sofort nach seiner Angabe in die Hand genommen wurde. Hierauf begleitete er den König nach mehreren Orten der eroberten Lande und endlich nach Breslau, wo dem neuen Herrn von der Bürgerschaft die Huldigung geleistet wurde. Ueber Berlin kehrte er nach Dessau zurück und errichtete dort im besonderen Auftrage des Königs während des Winters 2 Mineurcompagnien, wozu die nöthige Mannschaft unter den Bergleuten des Harzes geworden wurde. Da die gehegten Hoffnungen auf baldigen Abschluß eines billigen Friedens sich nicht erfüllten, begannen die kriegerischen Bewegungen gleich nach Beginn des Jahres 1742. Der König ging schon im Januar zur Armee in Schlesien und drang in Mähren vor, L. erhielt im März den Befehl, einen Theil des frühern Beobachtungscorps nach Böhmen zu senden, [347] mit dem größern Theile aber selbst nach Oberschlesien zu gehen, wo auch die bisher von seinem Sohne, dem Prinzen Dietrich, befehligten Truppen ihm unterstellt wurden. Er verließ Berlin am 2. April, erhielt unterwegs den Befehl das ganze Corps nach Böhmen zu führen, sowie später den, für seine Person schleunigst zum Könige nach Chrudim zu kommen. Nach kurzem dortigen Aufenthalt, übernahm er, den ursprünglichen Bestimmungen nach, den Oberbefehl in Oberschlesien, wo seine Anstalten zur Sicherung des Landes, seine Sorgfalt für Verstärkung der Befestigungen zu Neiße, Brieg und an andern Orten, sowie seine sonstigen Veranstaltungen sich so passend erwiesen, daß an einen feindlichen Angriff nicht zu denken war und er dem Könige noch eine ansehnliche Verstärkung an Truppen nach Böhmen zu senden vermochte. Der Sieg des Königs bei Czaslau am 17. Mai 1742, für den des Fürsten Sohn, der Erbprinz Leopold Maximilian die Feldmarschallswürde erhielt, beschleunigte den Abschluß des Friedens, der zu Breslau am 11. Juni erfolgte. Der König bezeugte darauf zu Neiße dem Fürsten seine große Zufriedenheit und reiste mit ihm nach Hause, wo dieser am 27. Juli in Dessau wieder eintraf. Bald darauf empfing er den von Kaiser Karl VII. nach Dresden gesendeten bevollmächtigten Minister, Baron von Wetzel, der in gleicher Eigenschaft auch in Dessau beglaubigt war, eine nach damaligen Verhältnissen für L. besonders ehrenvolle Auszeichnung. Das Jahr 1743 verlief für Preußen in Ruhe, doch geschah alles, das Heer zu einem neuen Feldzuge geeignet und bereit zu machen. Schon das nächste Jahr zeigte die Richtigkeit dieser Maßregeln, denn im Sommer desselben sah sich der König genöthigt das Schwert wieder in die Hand zu nehmen; er rückte mit einem bedeutenden Heere in Böhmen ein und L. erhielt im September die Statthalterschaft der Mark und den Befehl mit 17 000 Mann dieses Land und Magdeburg gegen feindliche Unternehmungen zu decken. Als aber der Krieg sich für den König ungünstig stellte, er Böhmen verlassen mußte und sich sogar alsbald in Schlesien bedroht sah, berief er L. nach Schweidnitz, wo derselbe am 12. Dezember eintraf und übergab ihm mit dem Auftrage, Schlesien und Glatz gegen feindlichen Einbruch zu decken, den Oberbefehl über das ganze Heer, während er selbst nach Berlin reiste, um die politischen Verhandlungen dort persönlich zu leiten, jedoch ließ er den General Grafen Schmettau bei dem Fürsten, der diesem nicht gewogen war, zurück. Dies und die Wahrnehmung, daß beim Heere viele, den frühern Verhältnissen ganz fremde Einrichtungen geschehen und ihm unsympathische Ansichten Platz gegriffen hatten, machte auf Fürsten[WS 1] einen[WS 2] unangenehmen Eindruck und verursachte ihm manchen Verdruß, doch aber gelang es ihm, die gestellte Aufgabe der Deckung Schlesiens glücklich und zur Zufriedenheit zu lösen. Ungeachtet mancher zu langsamen und unnöthigen Maßregeln hatte er dem Könige in seiner Stellung trefflich gedient, und waren auch nicht alle möglichen Vortheile errungen, so hatten doch seine Vorkehrungen jeden Unfall abgewehrt und der Geist der Truppen war ein vortrefflicher geblieben. Am 8. Februar 1745 erhielt L. zu Neiße die Nachricht vom Tode seiner von ihm so sehr geliebten Gemahlin und ward dadurch aufs tiefste erschüttert, so daß er sich kaum zu fassen wußte und in laute Klagen ausbrach. Die vielfach verbreitete Angabe, er sei in das Zimmer seines bei ihm weilenden kranken Sohnes Moritz mit den Worten gestürzt: „Moritz, Deine Mutter hat der Teufel geholt“, ist aus gewichtigen Gründen in das Reich der Mythe zu verweisen. Am 26. März übernahm der König den Oberbefehl in Schlesien wieder und bezeugte L. seine größte Zufriedenheit mit seiner Befehlsführung. Er ertheilte ihm die Erlaubniß, sich auf einige Zeit nach Dessau zurückzuziehen, zugleich aber auch den Auftrag, gegen die drohende Stellung Sachsens und Hannovers abermals ein Beobachtungscorps in der Gegend von [348] Magdeburg zusammenzuziehen, welches ein Lager bei Gattersleben und, als von Hannover nichts mehr zu befürchten war, am 31. August ein solches bei Halle gegen die sächsische Grenze gerichtet, bezog, wo es lange Zeit unbeweglich stehen blieb. Eine ansehnliche sächsische Truppenmacht stand zwischen Merseburg und Leipzig, doch enthielt man sich hier beiderseits noch der Feindseligkeiten. Inzwischen hatte der König den Krieg in Schlesien und Böhmen mit Glück geführt, die Siege bei Hohenfriedberg, 4. Juli, und bei Soor, 30. September, erfochten und verstärkte nun des Fürsten Corps bis auf 28 000 Mann, doch aber kam dieses nicht zu kriegerischer Thätigkeit, da man den Abschluß des Friedens für unzweifelhaft erachtete, und so wurde denn das Lager bei Dieskau am 15. October wieder aufgehoben und die Bestandtheile desselben nach ihren Garnisonen entlassen. Bald aber trübte sich der politische Himmel wieder gänzlich. Der König erhielt Nachricht von einem gegen ihn beabsichtigten umfassenden Angriff und beschloß sofort, diesem zuvorzukommen; er selbst übernahm wieder den Oberbefehl in Schlesien und übertrug dem Fürsten die Operation gegen Sachsen und besonders gegen Dresden, wo er in dem Grafen Brühl die Haupttriebfeder des neuen Anschlages wußte. L. versammelte schleunigst sein Corps bei Halle und konnte es gegen Ende des Monats daselbst als vollständig mustern. Inzwischen war König Friedrich nach Schlesien geeilt, war unvermuthet in die Lausitz eingefallen, lieferte dort das siegreiche Gefecht bei katholisch Hennersdorf und zwang in Folge dessen das feindliche Heer unter dem Prinzen von Lothringen zum eiligen Rückzuge nach Böhmen. Am 27. November erhielt L. mit der Nachricht dieses Erfolges den Befehl, sofort in Sachsen einzurücken. Er vertrieb am 29. die Sachsen aus ihrem verschanzten Lager bei Leipzig und besetzte am folgenden Tage diese Stadt. Von hier aus drang er gegen Torgau und Meißen vor und nahm am 5. December erstere Stadt, blieb aber zunächst zur Regulirung der Verpflegungsanstalten daselbst stehen. Am 9. erhielt er den Befehl, so schleunig als möglich gegen Meißen vorzugehen, um sich den Besitz der dortigen Elbbrücke zu sichern und mit den Truppen des von Bautzen anrückenden Königs sich zu verbinden, führte aber diesen Befehl viel zu langsam für die Ungeduld des Königs aus und mußte viele Vorwürfe deshalb hören. Endlich war am 14. December die Verbindung mit der Armee des Königs hergestellt, L. wurde bis auf 34 000 Mann verstärkt und ward angewiesen, die ihm gegenüberstehenden feindlichen Truppen schleunigst anzugreifen. Er lagerte am 14. bei Röhrsdorf und brach am Morgen des 15. in aller Frühe in 4 Colonnen über Wilsdruff gegen Kesselsdorf auf, wo 35 000 Sachsen und Oesterreicher unter dem Feldmarschall Grafen Rutowsky in einem sehr festen Lager standen. Um 2 Uhr nachmittags war der Aufmarsch der Preußen beendet und L. zögerte bei der Kürze des Wintertages nicht, den Feind sofort anzugreifen. Er hatte wohl erkannt, daß Kesselsdorf der Schlüssel der Stellung sei und richtete mit dem rechten Flügel hierher den ersten Stoß. Dieser mißglückte, denn das furchtbare Feuer der hier placirten feindlichen Geschütze streckte die tapfer anstürmenden Preußen reihenweise zu Boden; sie konnten nicht festen Fuß fassen und mußten schleunigst zurückgenommen werden. Da verließen die Vertheidiger unklugerweise ihre geschützte Stellung um die Geworfenen zu verfolgen, hinderten dadurch die Wirksamkeit ihrer eigenen Geschütze und wurden, als L., den günstigen Augenblick sofort benutzend, Reiterei gegen sie vorgehen ließ, vollkommen in die Flucht geschlagen. Sogleich stürmte L. mit der Infanterie des rechten Flügels nach, drang von allen Seiten in das Dorf Kesselsdorf ein und eroberte alles Geschütz. Auch der linke Flügel unter Prinz Moritz von Anhalt hatte alle ihm entgegenstehenden Hindernisse überwältigt, trieb auch seinerseits nach einem heftigen Kampfe gegen die feindliche Cavallerie den jenseitigen [349] rechten Flügel in die Flucht und beim Eintritt der Nacht war die Schlacht auf allen Punkten gewonnen. Der Feind hatte 10 000 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen, sowie 48 Geschütze und viele andere Trophäen verloren, der Verlust der Preußen überstieg 5000 Mann. Des Fürsten Rock war bei dem Sturme auf Kesselsdorf von drei Kugeln durchlöchert. Seine Anordnungen zur Schlacht und die Ausführung derselben erscheinen musterhaft, sagt doch König Friedrich, der mit ihm am folgenden Tage zusammentraf, ihn mit Lobsprüchen überhäufte und ihm ein bedeutendes Geldgeschenk machte, selbst: „Fürst von Anhalt gab bei dieser Action große Beweise seiner Erfahrung und seines Talents, die Generale, die Offiziere und die Soldaten, alle zeichneten sich hier aus.“ Von Vorwürfen war nun nicht mehr die Rede. Der Sieg Leopold’s, welchen letztern der König so schwer getadelt, daß dieser, wie man sagte, in der Schlacht absichtlich den Tod gesucht, hatte Alles wieder gut gemacht. Der Tag von Kesselsdorf entschied den ganzen Krieg, schon am 25. Dezember 1745, nur 10 Tage später, ward der Friede zu Dresden geschlossen und das preußische Heer kehrte nach seinen Standorten in den vaterländischen Provinzen zurück. Mit dem Siege bei Kesselsdorf schloß eigentlich Leopold’s militairische Laufbahn, er hatte durch denselben allen seinen früheren Kriegsthaten gleichsam das Siegel der Vollendung aufgedrückt. Er blieb zwar im Besitze aller seiner militairischen Aemter und Würden, hielt sich aber fortan meist in Dessau auf und erschien selten mehr in Berlin. Wenn auch äußerlich sein Empfang hier stets ein herzlicher war, so stand er doch nicht immer mit dem Könige im besten Vernehmen, und machte ihm dieser nicht selten in sehr starken Ausdrücken bemerkbar, daß Leopold’s häufig recht derb ausgesprochene Meinungen nicht stets die seinigen seien. Dies zog sich bis zu dem am 9. April 1747 erfolgten Tode des Fürsten hin. In 22 Schlachten und Belagerungen war L. nur einmal durch einen Streifschuß leicht verwundet worden, weshalb er beim gemeinen Manne für kugelfest galt; mehr als 50 Jahre führte er Preußens Krieger beinahe immer glücklich ins Feld.

Das bisher über L. Gesagte bezieht sich fast ausnahmslos auf seine militairischen Verhältnisse und das damit in Verbindung Stehende, es erübrigt nun noch, ihn als Landesherr, als Familienvater und als Mensch zu betrachten. Wie sehr auch Leopold’s Neigungen ihn zum Militairischen hinzogen, so verstand er es doch auch recht wol, mit dem Lorbeer des Krieges den Oelzweig des Friedens zu verbinden und für sein Land und sein Volk zu sorgen, soweit es nur irgend in seinen Kräften stand. Betrachten wir zunächst, was er für seine Residenz Dessau gethan, die durch häufige Feuersbrünste, verheerende Krankheiten und vielfache Kriegsdrangsale die kleinste und ärmlichste von Anhalts Hauptstädten war. Er hatte für sie ein warmes Herz, suchte sie zu heben, zu vergrößern und zu verschönern, wo er es vermochte. Um die unter seinem Vater begonnene und 1702 vollendete lutherische Kirche entstand, weil durch den Zuzug vieler Lutheraner die Einwohnerzahl bald bedeutend stieg, die Neustadt, der in den Jahren 1706–1710 die Anlegung der Wasserstadt jenseits der Mulde folgte. Dann geschah 1711 die Wegnahme der alten Stadtmauer und die Aufführung einer neuen, bedeutend weiter hinausgeschobenen, wodurch ein großer bisher unbebauter Raum in die Stadt hineingezogen wurde. Bald entstanden auf diesem mehrere neue Straßen, vorzüglich seit 1713 die schöne Cavalierstraße, und dem nunmehrigen Bedürfniß entsprechend ward auch die Zahl der Thore vermehrt. Zu allen diesen Bauten gab L. nicht nur den Grund und Boden unentgeltlich her, sondern bewilligte den Anbauern auch noch andere Unterstützungen, als Baumaterialen und mehrjährige Abgabenfreiheit. Zur Verschönerung der alten und neuen Straßen führte der Fürst mehrfache monumentale [350] Bauten aus, als das Regierungsgebäude, die Reitschule am Markt und die Paläste für seine Söhne Dietrich in der Zerbster Straße, Eugen und Moritz in der neuen Cavalierstraße, sowie das Jagdzeughaus in der Wasserstadt. Sorgte L. auf diese Art für Vergrößerung und Verschönerung seiner Hauptstadt, so wendete er auch auf vielfache Weise[WS 3] seine Fürsorge dem platten Lande zu. Zahlreiche wüste Dorfstätten verdankten ihm ihre Wiederbebauung, so Lennewitz, Alten, Dellnau, Naundorf, Kochstedt, Horsdorf, Siebenhausen, Kl. Kühnau, Lingenau, Niesau, Ziebigk und andere. Die sehr fruchtbaren Niederungen an der Elbe und Mulde, die jährlich durch das Hochwasser dieser Flüsse sehr litten, schützte er seit dem J. 1706 durch starke, weitausgedehnte Verwallungen und umfangreiche morastige Flächen in der Gegend von Wörlitz gewann er in den J. 1706–1708 der Wiesen- und Waldcultur durch den von der damals sächsischen Grenze bei Oranienbaum ausgehenden und in dem Jonitzer Forst in die Elbe mündenden Kapengraben. Zur Förderung der Landescultur durch Anlegung herrschaftlicher Musterwirthschaften und zur Erhöhung der Einkünfte seines Landes kaufte er aus seinem Privatvermögen die meisten Rittergüter in jenem an und versah sie mit zweckentsprechenden neuen Gebäuden. Im J. 1720 kaufte er bedeutende Besitzungen in Ostpreußen als Bubaien, Norkitten, Piathen, für die er von König Friedrich Wilhelm I. umfassende Privilegien erhielt und die er bald mit neuen Dörfern, Vorwerken, Schankhäusern, Mühlen vermehrte. Gleichfalls begünstigte er den Tabaksbau in seinem Lande und legte zur Verbesserung der einheimischen Pferdezucht 1704 zu Libehna bei Raguhn und 1708 im Thiergarten bei Dessau Gestüte an. Nicht weniger bemühte er sich auch in die von seinen Unterthanen zu zahlenden Gefälle und Zinsen eine bessere Ordnung zu bringen und namentlich die auswärtigen Zins- und Lehnsverhältnisse derselben möglichst zu ordnen oder zu beseitigen, desgleichen strebte er nach Lösung der zahlreich vorhandenen Grenzdifferenzen und beendigte sie, wo dies nur irgend zu bewerkstelligen war. Zur Hebung des Handelsverkehrs zwischen beiden Elbufern erbaute er an Stelle der 1735 errichteten Schiffbrücke 1739 eine stehende, die aber nach noch nicht funfzigjährigem Bestehen, 1784 durch den starken Eisgang des Stromes wieder zerstört ward. Den Städten und Flecken seines Landes suchte L. in jeder Weise aufzuhelfen, er verlieh ihnen manche Gerechtigkeiten, namentlich in Bezug auf Vermehrung und Neuerrichtung von Jahr- und Wochenmärkten, so in den Städten Dessau, Oranienbaum, Radegast, Raguhn. War nun der Fürst so thunlichst für das leibliche Wohl seiner Unterthanen bemüht, so ließ er es an Fürsorge für ihre geistigen Bedürfnisse nicht fehlen. Er erbaute viele neue Kirchen und Schulen und vermehrte möglichst die Einkünfte der Prediger und Lehrer, um ihren Eifer bei Besorgung ihres Dienstes zu erhöhen. So baute er 1702 die Kirche in Radegast, 1707 die Stadtkirche in Oranienbaum, 1712 bis 1717 die St. Georgenkirche in Dessau, 1713 die Kirche in Horsdorf, 1717 die in Meilendorf, 1723 die in Jonitz aus Dankbarkeit gegen Gott für die glückliche Wiederkehr seiner Söhne Wilhelm, Gustav und Leopold Maximilian aus dem Türkenkriege, 1735 in Wadendorf die Fünfbrüderkirche, wegen der glücklichen Heimkehr seiner fünf Söhne aus den Feldzügen am Rhein, 1743 die Altensche für die Genesung seiner Gemahlin von schwerer Krankheit, gleichfalls 1743 die Kirche zu Rode bei Sandersleben für die Lutheraner der dortigen Gegend und endlich 1745 die Kirche in Riesigk. Bei unverschuldeten Unglücksfällen, die seine Unterthanen betrafen, war er stets zur thätigsten Hülfe bereit, so z. B. bei großen Feuersbrünsten, wie solche 1707 das Dorf Qualendorf und 1725 die Stadt Wörlitz größtentheils zerstörten; hier half er nicht nur mit bedeutenden Baarunterstützungen, sondern schenkte auch das Bauholz aus den herrschaftlichen Forsten und sendete Zimmerleute und [351] Maurer auf seine Kosten. Auch sonst noch in jeder Weise für das Wohl seiner Unterthanen besorgt, erließ er heilsame Gesetze und Verfügungen und traf passende Anordnungen, so 1709 bezüglich der Abstellung der Verschleppung von Proceßsachen, 1719 der Aufhebung der Abzugsgelder bei Verlegung des Wohnsitzes von einem Amte in das andere, und 1710 erfolgte eine neue Stempel- und Gerichtstaxe, sowie 1738 die Einführung des rheinländischen Längenmaßes. Seit 1721 Senior des Anhaltischen Fürstenhauses, nahm er sich auch der Gesammtsachen desselben thätigst an. Er suchte und empfing die betreffenden kaiserlichen und andern Belehnungen und verlor die Ansprüche seines Hauses auf Lauenburg nicht aus dem Auge. Im J. 1727 führte er das von Kaiser Karl VI. unterm 6. April 1729 bestätigte Erstgeburtsrecht in seiner Familie ein. Trotz aller Rauheit seiner Gemüthsart war L. stets ein guter Gatte, ein zärtlicher liebevoller Vater. Ueber seine Vermählung mit der Dessauer Bürgerstochter Anna Luise Föse, seinem lieben Wiesgen, wie er sie in seinen Briefen nennt, ist schon oben gesprochen, ebenso über deren Character und Verdienste. Dieser glücklichen Ehe entstammen 5 Söhne und 5 Töchter, und zwar der Erbprinz Wilhelm Gustav, der schon 1737 mit Hinterlassung einer zahlreichen unebenbürtigen Nachkommenschaft aus seiner Ehe mit Johanne Sophie Herre aus Dessau, die mit ihren Kindern als Grafen und Gräfinnen von Anhalt in den Reichsgrafenstand[WS 4] erhoben wurden, starb, dann des Fürsten Nachfolger, Leopold Maximilian und die drei Prinzen Dietrich, Eugen und Moritz, die unvermählt ihr Leben beschlossen. Von den 5 Töchtern vermählte sich Luise und Leopoldine Marie mit Mitgliedern des Bernburger und Brandenburg-Schwedter Fürstenhauses. Anna Wilhelmine und Henriette Amalie starben unverheirathet nach dem Vater und Henriette Marie Luise in zarter Jugend. Daneben ist auch zweier natürlicher Söhne des Fürsten zu gedenken, der Gebrüder von Berenhorst, von denen der eine sich als militairischer Schriftsteller auszeichnete. L. starb in seinem 76 Lebensjahre am 9. April 1747, an den Folgen eines Nervenschlages, der ihn am 7. betroffen. Sein feierliches Leichenbegängniß, zu dem König Friedrich II. die drei Bataillone des vom verstorbenen Fürsten so lange geführten Regimentes Alt-Anhalt von Halle sendete, fand am 25. Juli 1747 statt. Er ruht in der Fürstengruft der Marienkirche zu Dessau in einem von Grenadieren aus Zinn scheinbar getragenen Sarge. Nach gleichzeitigen Nachrichten war Leopold’s Leibesgestalt über die gewöhnliche Größe, ansehnlich und wolgebildet. Der Ausdruck seines Gesichts hatte etwas Nachdenkliches und Menschenfreundliches, zugleich aber auch etwas Furchtbares, dem man gern ausweichen mag. Die Farbe des Gesichts war sehr dunkel, seine Stimme eine kräftige, die wenn er in Zorn gerieth, im Stande war, seine Umgebung zittern zu machen. Auf Pflege des Haupthaares sah er wenig und charakteristisch war sein schwarzer Schnurrbart, nach dem er oft genannt wurde. In seiner Kleidung, Lebensart und seinem Haushalt war er sehr einfach und sparsam, er wollte es nie besser haben, wie der gemeine Soldat, aber er war nicht knauserig und wenn es Noth zu lindern gab, so half er gern und mit vollen Händen. Mangel oder Ueberfluß, Hitze oder Kälte, Anstrengung oder Muße schien wenig Unterschied bei ihm zu machen. Von Hoffart und Stolz war er ein abgesagter Feind; sein Benehmen gegen Leute aus dem Volke und den gemeinen Soldaten war bei aller sonstiger Strenge freundlich und fast zutraulich. Er war ein eifriger und beständiger Freund und treu in Erfüllung seines Wortes, aber ein unversöhnlicher Feind derjenigen, von denen er sich hintergangen glaubte. In jeder Hinsicht verlangte er von seinen Untergebenen und in seiner Familie unbedingten Gehorsam und duldete keinen Widerspruch. Aus allen diesen Andeutungen geht hervor, daß in ihm unter rauher Schale [352] ein edler Kern verborgen war, er besaß zartes Gefühl und wahres Wohlwollen, beides aber fand bei ihm kaum anders Ausdruck als in groben kernhaften Soldatenausdrücken. Daß er seinen Unterthanen viele Kirchen erbaute, ist schon erwähnt, ihn trieb dazu ein tieferes religiöses Gefühl, das sich aber auch bei ihm stets nur auf eine derbe, fast burschikose Weise äußerte, wie seine bekannten Gebete bei schwerer Krankheit seiner Tochter, der Fürstin von Bernburg, und vor der Schlacht bei Kesselsdorf zeigen; er war ein eifriger Kirchengänger, nannte Luthers Lied: „Eine feste Burg“ unseres Herrgotts Dragonermarsch und sang eifrigst mit der Gemeinde, aber alle Lieder nach der Melodie des Dessauer Marsches, der einzigen die er kannte. Als er altershalber die Kirche nicht mehr besuchen konnte, ließ er jeden Sonntag für sich und seine Familie in einem Zimmer des Schlosses predigen und nie bestätigte er einen Prediger in seinem Amte, als bis er eine Probepredigt von ihm gehört. Er war kein Freund der Wissenschaften und Künste, aber er haßte sie auch nicht, er nahm eben keine Kunde von ihnen. Und dennoch schrieb er gern und viel und machte selbst schriftstellerische Versuche, wie die oben erwähnten militairischen Abhandlungen für den Kronprinzen, der Anfang einer Selbstbiographie und die Zusammenstellung einer Geschichte des preußischen Heeres, doch ist seine Handschrift kaum zu entziffern und seine Orthographie hat er sich in jeder Art selbst gemacht. Immerhin war L. einer der merkwürdigsten Männer seiner Zeit und vereinigte in sich die vortrefflichsten Eigenschaften des Geistes und Herzens mit vielen und großen Fehlern. Im J. 1790 ließ Prinz Heinrich von Preußen zu Rheinsberg den Helden des preußischen Heeres ein Denkmal errichten, welches auch den Ruhm Fürst Leopold’s verherrlicht. Im J. 1800 ward in Berlin im Lustgarten dem Königl. Schlosse gegenüber, des Fürsten Standbild aufgestellt, von Schadows Hand in carrarischem Marmor, nach Anton Pesne’s Bild ausgeführt, dessen Fußgestell in entsprechenden charakteristischen Inschriften des Fürsten Verdienste gebührend darlegt. Später fand dieses Standbild seinen Platz auf dem Wilhelmsplatze und ist seit 1862 durch eine Nachbildung in Erz ersetzt. Eine gleiche ziert seit 1860 den Marktplatz in Dessau. An Rauchs berühmten Standbilde König Friedrichs II. unter den Linden in Berlin erscheint auch L. unter den Zeit- und Kriegsgenossen des großen Königs.

Vgl. Varnhagen v. Ense, preußische biographische Denkmale Bd. 2; Militair-Conversationslexikon, Leipzig 1833 Bd. II; Beckmann und Lenz, Anhalt. Landeschronik; Anonyme Schrift: Fürst Leopold I. von Anhalt und seine Söhne. Dessau 1852.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. zu ergänzen: auf den Fürsten
  2. korrigiert, im Druck einenen
  3. Vorlage: Wese
  4. korrigiert, im Druck Reichsgrafenstad